Am 20. November begehen wir den internationalen Tag der Kinderrechte. Das ist ein guter Zeitpunkt um kritisch zu reflektieren, wie es um die Situation der Kinder und ihrer Rechte in Österreich bestellt ist. Ein besonderes Augenmerk sollte dabei auf jenen liegen, die ihren Start ins Leben unter schwierigen Bedingungen erfahren – den von Armut betroffenen Kindern.
Kinder spüren Armut besonders stark. Sie beschränkt sie in ihrer Entfaltung und gefährdet ihre Entwicklung. In Österreich, einem der reichsten Länder der Welt, ist heute jedes fünfte Kind bis 15 Jahre armuts- oder ausgrenzungsgefährdet. Fast 250.000 Kinder sind dadurch mit erheblichen Nachteilen konfrontiert. Man könnte sagen: Kinderarmut ist kinderrechtswidrig.
Die Auswirkungen der Armut auf sie sind vielfältig: Sie haben stark eingeschränkte soziale Kontaktmöglichkeiten und werden bei der gesellschaftlichen Teilhabe blockiert. Viele leben in unzureichend beheizten Wohnungen oder erfahren Mängel in der Ernährung. All das prägt sie, umso stärker, je früher und länger sie dem ausgesetzt sind.
Ein Leben am Rande oder in Armut bedeutet auch, dass keine unerwarteten Ausgaben getätigt werden können. Fast ein Drittel der österreichischen Haushalte, in denen 10-14-jährige leben, sind davon betroffen. Im Alltag heißt das ständiger Verzicht und die Angst vor dem nicht Planbaren – ein Schadensfall oder eine Krankheit werden existenzbedrohend.
Kinderarmut bekämpfen heißt Erwerbstätigkeit der Eltern fördern
Von entscheidender Bedeutung zur Reduktion der Kinderarmut sind die Erwerbstätigkeit der Eltern und ein solider Sozialstaat. Kinder in Haushalten ohne Erwerbsbeteiligung leben zu fast zwei Drittel unter der Armutsgefährdungsschwelle. Kinder mit nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft sind darüber hinaus rund dreimal so oft von Armut betroffen.
Besonders stark gefährdet sind Kinder von nicht erwerbstätigen Alleinerzieherinnen – rund 60% von ihnen sind armutsgefährdet. In Haushalten, in denen Frauen nicht erwerbstätig sind, ist die Armutsgefährdung im Schnitt dreimal so hoch. Oft scheitert ihre Erwerbstätigkeit allein schon an der Verfügbarkeit von leistbarer Kinderbetreuung.
Die künftige Regierung ist daher gefordert von Beginn weg Maßnahmen zu ergreifen, um die Kinderarmut zu beenden. Das umfasst gleichermaßen eine gesetzliche Unterhaltsgarantie, Zugang zu leistbarem Wohnraum und kostenfreien Kindergärten oder die vollständige Anrechnung von Kindererziehungszeiten, um nur einige Punkte zu nennen.
Grundsätzlich muss aber auch die Aufwertung und Absicherung von unbezahlter Arbeit, also etwa die Betreuung und Versorgung von Kindern, im Lichte der Kinderarmut betrachtet werden. Wenn wir sie besiegen wollen, müssen wir also auch diese Rahmenbedingungen entscheidend verbessern.
Ein starker Sozialstaat fördert auch die Kinderrechte
Nicht zuletzt ist im Interesse der Kinder Abstand zu nehmen von jeglichen weiteren Kürzungen von Sozialtransfers, Versicherungsleistungen und öffentlichen Angeboten. Von der Familienbeihilfe über die Mindestsicherung, vom Kindergarten bis zu den Pensionen: Jeder hier gekürzte Cent bedeutet direkt oder indirekt auch eine Beeinträchtigung der Kinder.
Vieles wird bislang mehr oder weniger erfolgreich vom Sozialstaat abgefedert. Denn ohne staatliche Interventionen wären über 3,5 Millionen ÖsterreicherInnen von Armut bedroht. Mehr als die Hälfte der Familien mit zwei oder mehr Kindern wäre armutsgefährdet. Einschnitte im Sozialsystem treffen Kinder daher am stärksten. Und schädigen unsere Gesellschaft dadurch nachhaltig.
Wenn von „neuer Gerechtigkeit“ die Rede ist und dieser Slogan auch in Regierungsverhandlungen bemüht wird, sollte diese vor allem für die Ärmsten und Schwächsten gelten. Kinder aus der Armut zu befreien, ihr Leben in Selbstbestimmtheit, Sicherheit und Gesundheit zu fördern und ihre Rechte zu stärken, muss zu den Prioritäten der künftigen Bundesregierung zählen.