Millionen Menschen streben nach Europa – aus den unterschiedlichsten Gründen, in den allermeisten Fällen aber um dem puren Elend zu entfliehen, in das sie unverschuldet hineingeboren oder in das sie in den letzten Jahren hineingezogen wurden. Sie alle haben Träume und Erwartungen, viele davon sind leider nicht mit der gegenwärtigen Realität kompatibel. Wir müssen uns ihnen stellen wenn wir verhindern wollen, dass wir mittelfristig Schießbefehle an den Außengrenzen und noch mehr Tote erleben.

Wir brauchen auf europäischer Ebene eine Strategie und daraus ableitend konkrete Maßnahmen, wie wir mit Flucht und Migration in den nächsten Jahren umgehen werden. Fluchtbewegungen bleiben traurige Realität, hier sind wir gefordert Unterstützung zu leisten. Und auch der gewaltige Migrationsdruck wird sich fortsetzen, als eine unweigerliche Folge der desaströsen wirtschaftlichen und menschenrechtlichen Rahmenbedingungen in vielen Ländern rund um Europa.

Aber wie machen wir das am besten? Es kann nicht die Antwort sein, dass alle Menschen gezwungen werden unter den schlimmsten Umständen zu uns zu fliehen. Denn niemand macht das freiwillig, niemand verlässt gerne seine Familie und seine Heimat, lässt gerne alles was ihm lieb ist in Ungewissheit zurück. Die illegale Einreise ist für Betroffene zu gefährlich, die tausenden Toten im Mittelmeer sind hier nur die sichtbare Spitze des Elends. Und das Sterben wird nicht von alleine aufhören.

Es müssen künftig mehr Möglichkeiten geschaffen werden, sich legal und in guter Vorbereitung in Ländern der Europäische Union niederzulassen. Mit einer Aufteilung nach Wirtschaftskraft und Einwohnerzahl, mit Integrationsprogrammen die sicherstellen, dass sich hier keine Parallelgesellschaften bilden, dass die Menschenrechte nicht unterminiert werden, dass Menschen hier unmittelbar gut versorgt werden und langfristig echte Chancen und Perspektiven erhalten.

Klar ist für mich, dass nicht alle Menschen zu uns kommen sollen. Denn wie gesagt: Die allermeisten würden ja ohnehin gerne in ihrer gewohnten Umgebung, ihrem Zuhause bleiben, wenn sie nicht Krieg, Terror, Unterdrückung, Diskriminierung oder Hunger von dort vertreiben würden. Daher müssen wir, als reichster Wirtschaftsraum der Welt, als Gemeinschaft die über Jahrhunderte von der Ausbeutung von Ländern des globalen Südens profitiert hat, zumindest unseren Beitrag zur Hilfe leisten.

Wir müssen natürlich unmittelbar in Krisensituationen vor Ort sichere Zonen schaffen. Wenn wir schon Milliarden in Rüstungsgüter investieren, dann setzen wir sie doch bitte zum Schutze von direkt bedrohten Menschen ein und nicht zum Schutze der fiktiven „Festung Europa“. Wir müssen auch wieder die Möglichkeit schaffen vor Ort Asylanträge zu stellen und wir müssen die Menschen dann dort rausholen oder sie zumindest dabei unterstützen sicher ihren Weg in ein nahes Lager zu finden.

Wir müssen diese Flüchtlingslager besser finanziell und organisatorisch unterstützen und sie nicht von profitorientierten Konzernen sondern von gemeinnützigen NGOs betreiben lassen. Niemand soll dort hungern, frieren oder wieder Gewalt ausgesetzt sein. Wir müssen dementsprechend mehr temporäre Krankenhäuser, Bildungseinrichtungen etc. errichten, auch damit Kinder nicht völlig verloren und ihre Entwicklung nicht zusätzlich noch nachhaltig negativ beeinträchtigt wird. Kurz gesagt: Wir müssen unserer Verantwortung für das Leben dieser Menschen wirklich nachkommen.

Das alles lässt sich nur auf europäischer Ebene lösen. Aber wir sind ein Teil dieser EU. Nicht länger dürfen wir u.a. Italien und Griechenland alleine lassen mit der Bewältigung des Leids. Und ich erwarte mir, dass mit der gleichen Vehemenz wie Banken gerettet wurden, jetzt endlich auch Menschen in Not gerettet werden. Ich erwarte mir, dass solange Druck ausgeübt wird, bis wir eine Lösung gefunden haben – sonst hat sich das Projekt Europäische Union für mich erledigt.

Eine Union der Konzerne und der Superreichen brauchen wir absolut nicht. Wir brauchen eine Europäische Union der Menschlichkeit, eine Europäische Union der Solidarität. Nicht nur, aber vor allem auch im Bereich von Flucht und Migration. Die kollektive historische Demenz der EntscheidungsträgerInnen muss aufhören, vor dem Hintergrund der besonderen Geschichte dieses Kontinents sollten wir uns mutig und verantwortungsbewusst auch seiner Zukunft stellen.


Foto: © UNHCR/Andrew McConnell

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