Die Fanpages führender rechter Politiker und “deutschnationaler” Seiten weisen extrem hohe Like-Zahlen auf, einschlägige Facebook-Gruppen haben viele tausende Mitglieder. Mit einem „Like“ signalisiert man nicht nur die Zustimmung zu den Inhalten, man abonniert damit auch die Aktualisierungen der Seiten und Gruppen und erhält laufend Zugang zu von ihnen verbreiteten Botschaften.
Der Logik von Facebook folgend, beeinflusst man mit einem Like für eine Seite auch den Algorithmus der individuell entscheidet, welche sonstigen Inhalte man angezeigt bekommt. Je mehr Seiten mit rechten Inhalten man liked, umso mehr Seiten mit rechten Inhalten werden vorgeschlagen. Je mehr “Freunde” man hat, die einschlägige Seiten geliked haben, umso mehr entsprechender Content wird in der Timeline erscheinen.
Aus dumpfer Verhetzung wird reale Angst
Schnell verwandelt sich das mittlerweile von sehr vielen als ausschließliche Informationsplattform genutzte Netzwerk zur Ansammlung von Verschwörungstheorien, Halbwahrheiten und bewusster Manipulation. Dem kann man sich irgendwann kaum noch entziehen, die Botschaften beeinflussen mit der Zeit die Gefühls- und Gedankenwelten.
Wenn überall Bedrohungen durch „Islamisten“ bestehen und „Schein-Asylanten“ uns „überfluten“ um das Sozialsystem „auszurauben“, wenn immer mehr Straftaten von „fremdländischen Männern“ begangen werden und alles diesbezügliche von der Polizei und der „Lügenpresse“ verheimlicht wird – wie verhält man sich in so einer Situation?
Aus leicht durchschaubaren Hetzmeldungen werden scheinbar fundamentale Wahrheiten, die das Zusammenleben maßgeblich prägen können. Durch Hetze entstehen reale Ängste und Menschen werden zu „besorgten BürgerInnen“, die im Affekt Sachen schreiben, die oftmals so mitgefühlslos sind, dass man am gesunden Menschenverstand zweifelt.
Die Gefahren ernst nehmen
Verhetzung im Netz bedroht unsere Demokratie. Sie führt zu Entsolidarisierung und erzeugt Angst. Sie bietet persönlicher Frustration einen zielgerichteten Kanal, in dem sie die Schuld an allem Übel bestimmten Personengruppen zuweist, die sich in der Regel selbst nicht dagegen wehren können. Sie entmenschlicht und beschreibt Schutzsuchende als „Invasoren“, BettlerInnen als „Mafiamitglieder“ und Arbeitslose als „Sozialschmarotzer“.
Das Schlechteste, was wir in so einer Situation machen können, ist die Gefahren der Verhetzung nicht ernst zu nehmen. Sich darüber lustig zu machen, dass Menschen manchmal nicht zwischen Lügen und Fakten differenzieren können bedeutet die Ernsthaftigkeit der Bedrohung und die real gewordenen Ängste der Menschen zu relativieren. Das führt zu einer weiter steigenden Entfremdung in der Gesellschaft und nützt den Urhebern von Hetze.
Stattdessen sind wir gefordert dem aktiv entgegenzuwirken. Jedes Profil, jede Gruppe und jede Seite können und sollten zu einer Gegenbewegung genutzt werden. Man kann die negativen Dynamiken aufhalten und umkehren, wenn man sich bewusst daran macht den öffentlichen Diskurs in sozialen Netzwerken zu beeinflussen. Wenn man den Dialog sucht und offen führt und auf Kommentare und Nachrichten eingeht.
Eine Gegenbewegung etablieren
Den Kampf gegen die Verhetzung müssen wir auf allen Ebenen führen. Im Jahr 2016 und in der Zukunft noch mehr bedeutet das auch, auf der „digitalen Straße“, also in den sozialen Netzwerken die zu unserer Lebenswelt gehören, aktiv zu werden. Für Politikschaffende gilt: Neben den klassischen Gemeindebau-Besuchen, müssen wir heutzutage auch die Menschen in ihrem „digitalen Zuhause“ besuchen, um mit ihnen in einen Dialog zu treten.
Über 20.000 Menschen folgen mir mittlerweile auf Facebook. Binnen weniger Monate ist es mir, als politischer Privatperson, die kein Social Media-Team und keine Agentur beschäftigt, gelungen, eine große Anzahl von Menschen für den digitalen politischen Diskurs zu interessieren. Das ist möglich geworden, weil ich mit den Menschen interagiere. Tausende Kommentare und hunderte Nachrichten werden von mir beantwortet.
Ich bin davon überzeugt, das zeigen mir die vielen Rückmeldungen, dass es einen Sinn macht, sich auch im Netz für seine Ideale zu engagieren. Offensiv gegen Verhetzung aufzutreten und auch den Konflikt nicht zu scheuen bringt immer was. Es regt manche Menschen zum nachdenken an, anderen zeigt es, dass sie nicht alleine sind mit ihrer Meinung. Beides ist wichtig, wollen wir die Deutungshoheit nicht den Hetzern überlassen.