„Eine Gesellschaft ist nur so viel wert, wie sie bereit ist, für die Schwächsten ein Netz auszuspannen, in dem jeder aufgefangen werden kann und keiner verloren geht.“ (Erwin Ringel)

Kinder sind die Hauptbetroffenen bei Kürzungen von Sozialleistungen, wie etwa bei der Mindestsicherung oder der Familienbeihilfe. Niemand von uns kann sich aussuchen, wo er oder sie geboren wird und mit welchen Eltern. Als Kind hat man keine Möglichkeit etwas an der eigenen Lebenssituation zu ändern. Kinder sind völlig abhängig von unserer Unterstützung und unserer Fürsorge. Und sie sind den Entscheidungen der Politik ausgeliefert.

Seit Tagen hadere ich mit mir, wie stark die öffentliche Kritik an einer Regierung und ihrem sozialdemokratischen Kanzler in der jetzigen Situation sein darf und muss. Darf, um nicht noch mehr den erstarkenden Rechtsextremismus durch Uneinigkeit innerhalb der „Linken“ indirekt zu unterstützen. Muss, damit ich mich in meiner Haut noch wohlfühlen kann, als kritischer politischer Mensch, der aktuell weitestgehend zum Zuschauen verdammt ist.

Die Mindestsicherung, also die letzte soziale Absicherung, die mit maximal rund 800 Euro pro Monat nicht vor Armutsgefährdung aber zumindest vor manifester Armut schützt, wird „gedeckelt“ – was nichts anderes als eine Kürzung bedeutet. Es bedeutet eine Kürzung bei jenen, die ohnehin schon kaum was haben, weil das persönliche Vermögen weitestgehend verbraucht sein muss. Das Auto muss verkauft, die Rücklagen müssen aufgebraucht sein.

Diese Menschen erhalten bei einer Kürzung in Form einer „Deckelung“ nun dramatisch weniger – und zwar entlang der Anzahl der im Haushalt lebenden Personen. Je mehr Kinder, umso größer der Verlust. Je mehr Kinder, umso größer aber auch die Ausgaben. Und so wird die Kürzung der Mindestsicherung in erster Linie zu einer Bestrafung von Haushalten mit mehr Kindern und also der Kinder selbst. Dieses Geld fehlt ihnen in der Entwicklung, dieses Geld fehlt ihren Eltern in ihrer Begleitung.

Die Debatte um die Mindestsicherung haben wir verloren. Nach jahrelangem Trommeln der FPÖ ist irgendwann die ÖVP aufgesprungen, hat sich das Thema angeeignet und die eigenen Vorstellungen durchgesetzt. Die SPÖ hat hier, nach langem und hartem Kampf von Sozialminister Alois Stöger, letztlich resigniert, die Mindestsicherung wurde zur „Ländersache“ erklärt und damit aus dem Verantwortungsbereich geschoben. Ein Kreislauf der Kürzungskonkurrenz hat begonnen, mit völlig offenem Ausgang.

Vor kurzem wurde die Debatte um die Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder von in Österreich tätigen ArbeitnehmerInnen eröffnet. Wieder eine langjährige Position der FPÖ, seit einiger Zeit bereits von ÖVP-Außenminister Sebastian Kurz übernommen. Und obwohl wir vor gar nicht allzu langer Zeit noch vehement dagegengehalten, das Ansinnen der Rechten und Neoliberalen brüsk zurückgewiesen haben, steht der nächste Umfaller bereits im Raum. Noch geht’s darum das „offen zu diskutieren“, aber alleine das ist schon ein Armutszeugnis.

Es ist ein Armutszeugnis für die Sozialdemokratie. Denn jeder Euro, der bei Kindern ihre Gesundheit, ihre Bildungschancen, ihre Wohnsituation verbessert, ist gut investiertes Geld. Und jeder fehlende Euro ist eine Gefährdung ihrer Sicherheit und mittelfristig ihrer Perspektiven im Leben. Als Sozialdemokratie dürfen wir Leistungskürzungen bei Kindern nicht „offen diskutieren“. Wir müssen uns im Gegenteil entschieden verwehren gegen solche Diskussionen. Von Anfang an.

Bis vor kurzem gehörte es zum Selbstverständnis der Sozialdemokratie, dass weitere Leistungskürzungen bei Familien und Kindern tabu sind. Wir waren immer diejenigen, die sich für die Ärmsten und Schwächsten eingesetzt haben. Die Kinder, das sind immer die Schwächsten. Nicht umsonst unterstützen wir mit viel Leidenschaft, großem Einsatz und ebensolchem Erfolg die größte Kinderrechtsorganisation Österreichs: Die Kinderfreunde.

Eine Partei jedoch, die sich nicht mehr bedingungslos für die Rechte der Kinder einsetzt, ganz gleich welcher Herkunft oder Nationalität, die sich offen zeigt für Kürzungsdebatten bei ihnen, die braucht sich nicht wundern, wenn sie irgendwann niemand mehr braucht. Zumindest auf Bundesebene, denn in Wien sind wir hier glücklicherweise noch nicht so weit.


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