Es ist wieder stiller geworden um den Kampf für die Rechte von MigrantInnen. Egal ob es um das Wahlrecht, den Zugang zum Arbeitsmarkt oder andere Forderungen geht. Ich halte das für einen fatalen Fehler. Gerade jetzt, wo Muslime pauschal diffamiert, Flüchtlinge unter Generalverdacht gestellt und alles „Fremde“ skeptisch bis ablehnend beäugt wird, müssen wir sichtbar sein. Jetzt umso mehr.

Und wir müssen uns gestaltend einbringen. Wir dürfen nicht warten, bis irgendwer uns einen Platz oder eine Rolle zuweist. Wir dürfen uns nicht damit abfinden, dass in der Regel andere über uns oder bestenfalls für uns sprechen. Wir sind keine Menschen zweiter Klasse, haben nicht weniger ein Recht auf Selbstvertretung und Selbstbestimmung. Gelungene Integration bedeutet auch Teilhabe – nicht nur an Partys oder geselligen Zusammenkünften, sondern eben auch im vollem Umfang an demokratischen und politischen Prozessen.

Assimilation ist keine Option. Parallelwelt auch nicht. Ich bin ein sogenannter „Migrant der zweiten Generation“. Und ich fühle mich mit allen anderen verbunden. Nicht weil ich sie alle kennen würde, sondern weil wir ein Schicksal teilen. Wir wurden hier geboren, als Nachkommen von Eltern, die irgendwann, unter irgendwelchen Umständen, aus dem Ausland hierherkamen. Wir können nichts dafür, wir haben es uns nicht ausgesucht.

Aber es prägt uns. Jeden einzelnen Tag. Unsere Perspektive auf die Welt ist zwangsläufig eine andere, weil wir in dem Bewusstsein aufgewachsen sind, auch eine andere „Heimat“ zu haben. Auch wenn wir sie vielleicht noch gar nicht selbst erlebt haben oder die Sprache nicht gut beherrschen. Davon braucht sich niemand bedroht fühlen. Im Gegenteil. Ich bin davon überzeugt, dass das ein Potential für unsere Gesellschaft bedeuten kann.

Es wird Zeit, dass dem Bekenntnis zu Vielfalt und Toleranz, zu einem Miteinander der Kulturen, auch ein Bekenntnis zu Mitbestimmung und entsprechende Maßnahmen zur Förderung der Sichtbarkeit folgen. Auch wenn ich viele Menschen kenne, die sich stark für uns einsetzen – das Ziel muss sein, dass wir uns selbst vertreten. Nicht im Rahmen eigener Parteien, sondern als Teil bestehender Gemeinschaften. Wenn sie uns lassen.

Wir sollten daher über Quoten für MigrantInnen in der Politik nachdenken. Analog zur Diskussion bei Frauen und den Instrumenten zu Förderung ihrer Mitbestimmung, ihrer Selbstbestimmung und ihrer Sichtbarkeit. Denn in Wien weisen über 50% der Bevölkerung einen sogenannten „Migrationshintergrund“ auf. Aber im Wiener Gemeinderat sind wie viele von ihnen vertreten – 5%? Das bildet nicht unsere Gesellschaft ab. Und es geht hier nicht nur um Wien, sondern um eine Grundsatzdiskussion.

Es wird Zeit darüber zu sprechen. Wenn sich jemals etwas ändern soll, dann müssen wir darüber sprechen. Radikalisierung ist auch ein Produkt erlebter mangelnder Wahrnehmung und von Perspektivenlosigkeit. Die Entwicklung von Parallelgesellschaften wird auch durch mangelnde sichtbare Repräsentanz befördert. Machen wir dem ein Ende. Aber glaubwürdig – mit mehr Möglichkeiten, nicht mehr Einschränkungen.

Gebt uns endlich ein Recht, für uns selbst zu sprechen!


Foto: Lehmann via spoe.at

Ähnliche Beiträge